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Tätigkeitsstrukturanalyse

Autoren

Lynn Strunk

Zusammenfassung

Die Tätigkeitsstrukturanalyse ist ein Tool, mit dem alle Aktivitäten einer Person während einer bestimmten Zeit aufgenommen werden. Die Tätigkeiten werden dabei in einen Gesamtzusammenhang gestellt. So können ineffiziente Prozessabläufe erkannt und Verschwendung quantifiziert sowie bewertet werden. Die Tätigkeitsstrukturanalyse wird durch Selbst- oder Fremdbeobachtung durchgeführt. Es kann beispielsweise ermittelt werden, wie hoch der Zeitverlust für Tätigkeiten wie Dokumentation, Aufräumen, Doppeluntersuchungen etc. ist oder aber wie viele Wegmeter für gewisse Tätigkeiten zurückgelegt werden.

Zielsetzung / Leitfragen für die Praxis

Das grundlegende Ziel der Tätigkeitsstrukturanalyse besteht darin, alle Tätigkeiten in einen Gesamtzusammenhang zu stellen und so Auffälligkeiten im Prozessablauf zu ermitteln (Binner, 2010). Sie basiert auf den Grundlagen des Verbandes für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung (REFA, 1973). Die Methodik beantwortet folgende Praxisfragen:

Bezogen auf den Menschen  

Bezogen auf den Raum

Voraussetzungen / Notwendige Ressourcen

Die Tätigkeitsstrukturanalyse wird von einer beobachtenden Person ausgeführt, die mit den Prozessabläufen vertraut ist und die Ablaufabschnitte nach REFA (Abbildung 1 & Abbildung 2) verinnerlicht hat. Besonders wichtig ist, dass die beobachtende Person, welche die Prozessdokumentation ausführt, nicht als störender Faktor wahrgenommen wird. Vor allem der Aspekt, dass Unterbrechungen wie kurze Pausen oder kleine Fehler ganz normal sind, sollten vorher unbedingt kommuniziert werden. Ziel ist es, den normalen (Klinik-)Alltag aufzuzeichnen. Um die Tätigkeitsstrukturanalyse korrekt auszuführen, ist ein hohes Verständnis der Prozesse und der Ablaufabschnitte der Abteilung erforderlich. Deshalb ist es sinnvoll, vor der Prozessdokumentation ein Interview mit der Abteilungsleitung durchzuführen, in dem folgende Fragen geklärt werden sollten (Greiling, Hofstetter, 2002):

  1. Ist ein Raumplan vorhanden?
  2. Wie kann der Prozessparameter (Zeit in Sek. / Wege in Meter / etc.) gemessen werden? Dürfen Hilfsmittel genutzt werden? 
    • Stoppuhr
    • Schrittzähler
  3. Welcher Tag der Woche ist generell am repräsentativsten für die Messung?  
  4. Über welchen Zeitraum soll die Prozessdokumentation stattfinden?
    • Begleitung über mehrere Tage hinweg 
    • Begleitung einer ganzen Schicht
    • Begleitung über einige Stunden
  5. Muss auf Sonstiges geachtet werden, z.B. bestimmte Arbeitskleidung, besondere Massnahmen etc.?

Detailbeschreibung des Tools

Nachdem geprüft wurde, ob die Voraussetzungen erfüllt sind und ein erstes Prozessverständnis der Abteilung geschaffen wurde, kann die Prozessdokumentation durchgeführt werden. Danach findet eine Nachbearbeitung der dokumentierten Werte statt. Anschliessend werden die Daten ausgewertet.

1. Durchführung der Prozessdokumentation

Für die Durchführung der Prozessdokumentation kann diese Vorlage genutzt werden. Erstellt wurde die Vorlage in Anlehnung an REFA (Binner, 2005).

Tabelle 1: Vorlage für die Prozessdokumentation

Nr.

Raum
Patient Nr.
Tätigkeit der begleiteten Person
Ablaufart Patient
Anmerkung
Zeit in Sek. / Weg in Meter
1






2






3






4






5






6






Raumbezeichnung: In der ersten Spalte wird die Raumnummer oder der Zimmername eingegeben. Es ist von Vorteil, den ausgedruckten Raumplan während der Dokumentation zur Orientierung mitzunehmen.

Patient-Nr.: Damit zwischen den Patienten unterschieden werden kann, wird in die zweite Spalte eine Patientennummer eingetragen. Meistens reicht eine einfache Nummerierung wie Patient Nr. 1, Patient Nr. 2 usw. aus. Es kann aber auch der Name oder die Abrechnungsnummer notiert werden. Eventuell ist es für die Analyse relevant, den Aufnahmegrund des Patienten anzugeben. Dieser kann in einer zusätzlichen Spalte (z.B. Anmerkungen) eingetragen werden.

Tätigkeit: In der dritten Spalte wird die Tätigkeit der begleiteten Person angegeben. Es muss entschieden werden, auf welcher Ebene dies geschehen soll. Dies ist davon abhängig, welche Endfaktoren schlussendlich gemessen und analysiert werden sollen. So kann es bei der einen Dokumentation beispielsweise reichen, den groben Prozessablauf anzugeben (z.B. Untersuchung durchführen), bei einer anderen Dokumentation hingegen ist jeder Tätigkeitsabschnitt von Bedeutung (z.B. Patienten begrüssen, Blutabnahme vorbereiten, Spritze anlegen, Blut abnehmen, Pflaster ankleben, Blutprobe wegbringen etc.).

Einwirken: In dieser Spalte wird angegeben, wie auf den Patienten oder das Instrument eingewirkt wird. Eine nähere Beschreibung befindet sich weiter im zweiten Punkt Nachbearbeitung der Prozessdokumentation.

Zeit in Sek. / Weg in Meter: In der letzten Spalte wird die Zeit für die jeweilige Tätigkeit eingetragen. Es muss vorher abgeklärt werden, ob Hilfsmittel wie z.B. eine Stoppuhr benutzt werden dürfen. Anstatt den Parameter «Zeit» zu verwenden, können je nach Analyse auch andere Parameter wie die Strecke in Metern gemessen werden.

2. Nachbearbeitung der Prozessdokumentation

In der Nachbearbeitungsphase wird die Tabelle der Prozessdokumentation um einige Zellen ergänzt und umstrukturiert. Tabelle 2 zeigt, welche Spalten hinzugefügt wurden.

Tabelle 2: Nachbereitung der Prozessdokumentation

Nr.
Raum
Patient Nr.
Ablaufabschnitt (Tätigkeit)
Zeit in Sek. / Weg in Meter
Ablaufart Mensch
Ablaufart Patient
Abgabe?
Vermeidbar?
1
Untersuchungszimmer

1
Kurze Anamnese
110
HT
E
Nein
Nein
2
Untersuchungszimmer

1
Ultraschalluntersuchung
240
HT
E
Nein
Nein
3
Untersuchungszimmer

1
Gespräch über weiteres Vorgehen
50
HT
E
Nein
Nein
4
Stützpunkt
2
Suchen der Patientenakte
80
ZT (S)
Z
Nein
Ja
5
Untersuchungszimmer

3
Patienten zum OP transportieren
150
NT
T
Ja
Nein

Um eine aussagekräftige Analyse durchführen zu können, müssen nach REFA (1973) die Ablaufabschnitte, also die Tätigkeiten der begleiteten Person, in Ablaufarten eingeteilt werden. Besteht Unsicherheit bei der Zuordnung, so ist es sinnvoll, die Spalte in Zusammenarbeit mit einer Fachperson der jeweiligen Abteilung auszufüllen.

Abbildung 1: Ablaufart (Arzt, Pflege) nach REFA Quelle: In Anlehnung an REFA (1973)

Haupttätigkeit: Planmässige, unmittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe dienende Tätigkeit (Patientengespräch, Blutabnahme etc.).

Nebentätigkeit: Planmässige, nur mittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe dienende Tätigkeit. Hierzu zählt beispielsweise das Rüsten. Rüsten beschreibt die Vorbereitung des Arbeitssystems für die Erfüllung der Arbeitsaufgabe sowie das Rückversetzen des Arbeitssystems in den ursprünglichen Zustand (OP-Saal aufräumen, Vorbereiten des Untersuchungszimmers etc.).

Zusätzliche Tätigkeit: Vorkommen oder Ablauf kann nicht vorausbestimmt werden. Im Wesentlichen gibt es vier Ursachen für eine zusätzliche Tätigkeit: die organisatorische und technische Störung im Arbeitsablauf, die freiwillige oder angeordnete Mithilfe bei anderen Personen, der Mangel an Informationen sowie die Tätigkeit ohne besonderen Auftrag (Post entgegennehmen, Dokumente ablegen etc.).

Ablaufbedingte Unterbrechung: Beschreibt ein planmässiges Warten des Menschen auf das Ende von Ablaufabschnitten, die beim Betriebsmittel oder Arbeitsgegenstand selbstständig ablaufen. (Pflegekraft wartet Toilettengang des Patienten ab, wartet auf Beenden einer Untersuchung der Ärztin etc.).

Abbildung 2: Arbeitsgegenstand (Patient) nach REFA

Störungsbedingte Unterbrechung: Zusätzliches Warten des Menschen infolge von technischen und organisatorischen Störungen sowie Mangel an Informationen (Ärztin schreibt Patientenakte: Pflegekraft muss warten, weil sie etwas nachlesen muss; Defekt an einem Gerät: Warten, bis es wieder funktioniert etc.).

Persönlich bedingte Unterbrechung: Liegt vor, wenn der Mensch seine Tätigkeit unterbricht und die Ursache persönliche Gründe hat (Toilettengang, etc.).

Erholen: Unterbrechen der Tätigkeit, um damit infolge der Tätigkeit aufgetretene Arbeitsermüdung abzubauen (Mittagspause, Frühstückspause). Zusätzlich zu der Ablaufart der begleiteten Ärzte oder Pflegekräfte muss die Ablaufart des Patienten bestimmt werden. Alle Kategorien sind in Abbildung 37 dargestellt.

Einwirken: Beschreibt die Tätigkeit direkt am Patienten (Blutabnahme, Untersuchung etc.).

Prüfen: Bezeichnet die Kontrolle des Zustandes des Patienten (Überprüfung, ob Infusion durchgelaufen ist; Kontrolle, ob Medikamente eingenommen wurden etc.).

Zusätzlich verändern: Sonstiges Einwirken, dessen Verlauf nicht vorausbestimmt werden kann (z.B. Umräumen von falsch eingeräumten Instrumenten oder Medikamenten).

Transportieren: Schaffung des Patienten zu einem anderen Ort (z.B. Patienten in den OP-Saal fahren, Patienten von Untersuchungszimmer in den Kreisssaal begleiten).

Lagern: Bezeichnet das Liegen in Lagerbereichen (z.B. Lagern von Instrumenten im Zentrallager, Lagern von Medikamenten im Medikamentenschrank).

Nachdem die beiden Spalten Ablaufart Arzt/Pflege und Ablaufart Patient ausgefüllt wurden, muss in der nächsten Spalte entschieden werden, ob die Tätigkeit an eine andere Person abgegeben werden könnte. Fachkräfte können Aufgaben wie Transportwege des Patienten an den Transportdienst abgeben oder die Essensausgabe an den Speisedienst. Ärzte wiederum können Aufgaben an Arzthelfer, Pflegekräfte oder Praktikanten abgeben. In der vorletzten Spalte "Vermeidbar?" wird dann entschieden, ob der Prozessschritt beispielsweise durch Umorganisation der Abläufe oder durch Neuanordnung von Gegenständen vermeidbar wäre.

3. Auswertung der Prozessdokumentation

Die Auswertung kann mit Hilfe einer Excel-Tabelle stattfinden. Nun kann nach verschiedenen Ablaufabschnitten, Räumen, Patienten oder Tätigkeiten sortiert werden. Durch die Einstellung «Filtern» können verschiedenste Werte miteinander verknüpft werden und es ist möglich, Verschwendung auf unterschiedlichsten Ebenen zu bestimmen. Zur Ergebnisdarstellung lassen sich vielfältige Graphen erstellen.

Stärken und Schwächen

Stärken

  • Die Analyse kann in allen Bereichen angewandt werden: Sowohl im Spital, in der Spitex oder in einer Arztpraxis auf medizinischer oder administrativer Ebene.
  • Der Prozessparameter ist frei wählbar: Es kann sowohl Zeit in Minuten als auch Strecke in Metern etc. gemessen werden.
  • Durch die grosse Menge an gewonnenen Daten können hilfreiche Analysen für das Management entstehen, weitere Auswertungen können vom Krankenhausmanagement durchgeführt und genutzt werden.
  • Auswertungen sind nicht auf einen Faktor beschränkt, sondern auf allen Ebenen möglich.
  • Komplexe Zusammenhänge zwischen den Prozessen werden erkannt und können analysiert werden.

Schwächen 

  • Die beobachtende Person muss Methodik der Prozessdokumentation sicher beherrschen.
  • Beobachtung und Prozessaufnahme sind sehr zeitaufwendig.
  • Ergebnisse können verzerrt werden, da Prozesse am Beobachtungstag nicht den durchschnittlichen Klinikalltag abbilden.
  • Ergebnisse können verzerrt werden, da sich die begleitete Person beobachtet fühlt und sich anders verhält.
  • Die Prozessdokumentation ist vor Ort durchzuführen und wird unter Umständen als störend und kontrollierend empfunden.

Quellenzitierung

Bitte zitieren Sie diese Quelle wie folgt:

Strunk, L. (27. März 2018). Tätigkeitsstrukturanalyse. leanhealth.ch.

Literatur

Binner, H. (2005). Handbuch der prozessorientierten Arbeitsorganisation, 2. Auflage. Darmstadt: Hanser.

Binner, H. (2010). Prozessmanagement von A bis Z, 1. Auflage. Darmstadt: Hanser.

Greiling, M., & Hofstetter, J. (2002). Patientenbehandlungspfade optimieren –  Prozeßmanagement im Krankenhaus, 1. Auflage. Kulmbach: Baumann Fachverlag.

REFA (1973). Methodenlehre des Arbeitsstudiums – Datenermittlung, 3. Auflage. München: Carl Hanser Verlag.

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