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Deutschland - Neustrukturierung einer kinderchirurgischen Ambulanz

Autoren

Stefan Beyerlein

Ausgangslage

Land: Deutschland

Spital: DRK Kinderklinik Siegen GmbH

Spitalbereich: Abteilung für Kinderchirurgie, -urologie und -orthopädie

Problemstellung

Die Zahl der Notfallpatienten, welche sich primär in Krankenhäusern vorstellen, steigt in den letzten Jahren stetig an. In der Abteilung Kinderchirurgie der DRK Kinderklinik Siegen war alleine in den letzten beiden Jahren eine Zunahme der Patientenvorstellungen im Ambulanzbereich von jeweils etwa 1.000 Fällen zu verzeichnen. Die räumlichen Gegebenheiten und Strukturen dieses Bereiches waren für diese hohen Fallzahlen initial nicht ausgelegt worden. Im Rahmen einer Renovierung des Ambulanzbereichs sollte daher neben der räumlichen Restrukturierung auch mit Hilfe der Lean-Philosophie und des Flussprinzips eine Neuordnung der Prozesse und Strukturen vorgenommen werden. Ziel war es, die Durchlaufzeiten der Patienten zu verringern, alle Leistungen, wenn möglich, unmittelbar am Patienten zu erbringen und so die Zufriedenheit von Patienten und Mitarbeitenden zu erhöhen. Dies alles musste ohne wesentliche Umbaumassnahmen in den vorhandenen Räumen umgesetzt werden.

Projektbeschreibung

Projektjahr: 2017/2018

Projektdauer: 12 Monate

Vorbereitung

Zu Beginn des Projekts wurden zunächst Strukturdaten und Patienteninformationen erhoben. Zu diesen Daten zählten die Anzahl und Verteilung der Patienten im Tagesverlauf sowie im Wochenverlauf. Über einen Zeitraum von 14 Tagen erhielt jeder Patient einen Laufzettel, auf dem er die Zeitpunkte Ankunft, erster Pflegekontakt, erster Arztkontakt, Diagnostik, Behandlung und Verlassen der Ambulanz eintragen konnte. Darüber hinaus konnte er seine Zufriedenheit über den Behandlungsverlauf sowohl mit Schulnoten wie auch mit Freitext bewerten.

Es wurde entschieden, alle Mitarbeitenden der Ambulanz in die Umstrukturierung zu integrieren. Als Kick-off-Veranstaltung erfolgte daher die Information der Mitarbeitenden über die geplanten Schritte der Veränderung sowie eine Schulung in den dabei eingesetzten Methoden.

Tools

Aus den gewonnenen Daten wurden zehn verschiedene Patiententypen mit typischen Krankheitsbildern ausgewählt und individuelle Persona erstellt (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Beispiel für eine Persona (junger Patient mit Appendizitis)

Danach wurde für jeden dieser Patienten Prototypen eine Patientenfluss-Analyse durchgeführt. Im nächsten Schritt wurden mit Hilfe von Swimlane-Diagrammen die Prozesse und Zuständigkeiten der einzelnen Berufsgruppen festgelegt (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Exemplarisches Swimlane-Diagramm bei Patient mit Appendizitis

Nachdem die Prozesse und Zuständigkeiten identifiziert waren, fand das Patientenflussdesign statt. Hierzu wurde zunächst auf Basis des Flussprinzips eine Neuverteilung der Räumlichkeiten der Ambulanz durchgeführt.

Im Anschluss erfolgte die Restrukturierung aller Räumlichkeiten im Einzelnen. Mit Hilfe der 5S-Methode wurde eine Bereinigung der Zimmer durchgeführt. Hierbei konnten unnötige Materialen identifiziert und aussortiert werden. Um unnötiges Suchen zukünftig zu vermeiden, wurden alle Behandlungszimmer entsprechend ihrer Nutzung identisch ausgestattet.

Neben der räumlichen Optimierung wurden zur Verbesserung der Patientenorientierung auch die Prozesse umgestaltet, so dass möglichst alle Leistungen unmittelbar am Patienten erbracht werden konnten. Hierzu wurde die bisherige Trennung der Berufsgruppen bei der Behandlung aufgelöst und es wurden interdisziplinäre Behandlungsteams gebildet.

Nach der grundsätzlichen Festlegung der Anordnung und Ausstattung der Zimmer wurde die Anordnung der Möbel und Schränke sowie deren Ausstattung zunächst auf dem Papier geplant. Anschliessend wurden die erarbeiteten Umstrukturierungen mithilfe einer Simulationszone, welche in einem Zelt auf dem Klinikgelände errichtet wurde, auf ihre Effektivität und Umsetzbarkeit geprüft. Mit Hilfe von Testläufen, in denen die initial erstellten Patiententypen die Simulationszone in verschiedenen Konstellationen wiederholt durchliefen, wurden die Räume und Prozesse solange verändert, bis ein optimales Ergebnis erzielt werden konnte.

Umsetzung

Nach Abschluss der Planungs- und Simulationsphase wurden die Ambulanzräume gemäss den erarbeiteten Verbesserungen umgestaltet und mit den erarbeiteten Materialien ausgestattet. Aufgrund der vollständigen Planung aller Bereiche im Vorfeld und der Einbeziehung von Architekten konnte die Renovierung innerhalb kürzester Zeit umgesetzt werden.

Der kinderchirurgischen Abteilung der DRK Kinderklinik ist es gelungen, eine vollständige Neustrukturierung der Ambulanz nach den Kriterien des Lean-Healthcare-Managements während des laufenden Betriebes und innerhalb bestehender Räumlichkeiten durchzuführen.

Resultat

Ergebnisse Mitarbeitende

Aufgrund des intensiven Austauschs konnte bereits während der Planungsphase eine Vielzahl von Verbesserungen erreicht werden. So wurden alle Abläufe und Prozesse in der Ambulanz beleuchtet und wo Bedarf bestand neu geregelt. Dies führte zu einer deutlichen Annäherung und gegenseitigem Verständnis bei allen Berufsgruppen. Die zukünftige Behandlung in interdisziplinären Teams mit dem Ziel der Patientenorientierung war logische Folge dieser Planungen. Durch die Standardisierung von Arbeitsweisen und Arbeitsmitteln konnte die Qualität der Behandlung verbessert werden. Die positiven Effekte dieser gemeinsamen Projektarbeit finden sich in allen Bereichen und Mitarbeitendengruppen wieder, sodass eine deutliche Steigerung der Zufriedenheit erkennbar ist.

Ergebnisse Patienten

Die Ausrichtung der Prozesse am Patienten ist für jeden spürbar und zeigt sich an der hohen Zufriedenheit der Patienten, wenn sie nach kurzer Zeit die Ambulanz nach Abschluss der Behandlung mit allen nötigen Unterlagen verlassen. Das Flussprinzip wurde durch die Schaffung verschiedener Behandlungs- und Wartezonen erfolgreich umgesetzt. Eine erneute Erhebung der Patientendaten wie sie vor Beginn des Projektes erfolgte, steht für Ende 2018 an.

Erfolgsfaktoren und Hindernisse

Die grösste Herausforderung des Projektes war die Neustrukturierung der Ambulanz im laufenden Betrieb und in vorgegebenen Räumen zu realisieren. Aufgrund der erreichten Planungsziele und der Schaffung einer Simulationszone, war es möglich dieses anspruchsvolle und komplexe Ziel zu erreichen.

Eine weitere Herausforderung stellte die Einführung der Lean-Healthcare-Philosophie und die damit verbundenen berufsgruppenübergreifenden Veränderungen dar. Daher wurden von Beginn an alle Mitarbeitenden der Ambulanz in das Projekt eingebunden. Durch gut strukturierte Workshops, in denen grosser Wert auf die praktische Partizipation aller Beteiligten gelegt wurde, konnte rasch ein hoher Grad an Zustimmung und Begeisterung für das Projekt erreicht werden. Besonders wichtig war es, stets den Fokus auf den Patienten zu legen, um so interdisziplinäre Diskussionen zielgerichtet aufzulösen.

Letztlich konnte durch dieses Projekt nicht nur die Renovierung der Ambulanz umgesetzt werden. Vielmehr kam es durch die Neuausrichtung zu einer Vielzahl an positiven Effekten auf allen Ebenen, welche sich in der Ambulanz auch zukünftig bemerkbar machen werden. Der Ambulanzumbau gilt als Leuchtturmprojekt für zukünftige Projekte an der DRK Kinderklinik Siegen.

Quellenzitierung

Bitte zitieren Sie diese Quelle wie folgt:

Beyerlein, Stefan (2018). Neustrukturierung einer kinderchirurgischen Ambulanz. In A. Angerer (Hrsg.), LHT-BOK Lean Healthcare Transformation Body of Knowledge: Edition 2018–2019. Winterthur. Abgerufen von www.leanhealth.ch.

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Kontakt

Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG)
ZHAW School of Management and Law
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