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Österreich - Kiz Ambulanzen neu: Gemeinsame Ambulanzorganisation Kinderzentrum

Autoren

Volker Kikel

Ausgangslage

Land: Österreich

Spital: Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz

Spitalbereich: Notfallambulanz der Universitätskliniken für Kinder- und Jugendheilkunde und für Kinder und Jugendchirurgie

Problemstellung

Im Jahr 2015 wurde im Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum in Graz ein Projekt unter dem Namen “KIZ Ambulanzen neu“ für eine gemeinsame Notfallambulanz für die Universitätskliniken für Kinder- und Jugendheilkunde und für Kinder und Jugendchirurgie lanciert. Ziel der neuen Notfallambulanz ist, ein modernes und kindergerechtes Behandlungsangebot zu schaffen und dabei die konzeptionellen Gestaltungswünsche der Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Gleichzeitig sollte eine effektivere Arbeitsweise ermöglicht werden. Konkret bedeutete dies, dass der ärztliche Erstkontakt bei 90 Prozent der Patienten in weniger als 20 Minuten stattfinden soll. Dazu mussten Aspekte der Aufgabenverteilung und Organisationsstrukturen neu überdacht werden.

Projektbeschreibung

Projektjahr: 2015 

Projektdauer: 6 Monate

Vorbereitung

Das Projekt „Gemeinsame Ambulanzorganisation Kinderzentrum“ wurde Anfang März 2015 initiiert. Begleitet wurde das Projekt durch die externe Beraterfirma walkerproject ag mit Sitz in Zürich.

Tools

Im Rahmen einer Simulation wurden Arbeitsabläufe und Prozesse einer neuen Ambulanz durchgespielt, bevor Baupläne gezeichnet wurden oder die Umbauarbeiten begannen. Zu diesem Zweck wurde ein 600 Quadratmeter grosses Zelt errichtet, welches während sechs Monaten als Simulationszone genutzt wurde.

Umsetzung

Mitarbeitende beider Kliniken spielten den neuen interdisziplinären Notfallprozess gemeinsam mit echten Patienten von der Anmeldung bis zur Entlassung durch. Um Behandlungsabläufe möglichst realistisch zu gestalten, wurden Rollstühle und Betten in die Simulationszone integriert. Mobile Wände und weitere medizinische Geräte wurden aus Karton hergestellt. Für das Makro-Design der Ambulanz wurde während neun Tagen simuliert. Dabei hatte jeder Simulationstag ein bestimmtes Fokusthema. Während an Tag eins die vier zentralen Flüsse analysiert wurden, wurde an Tag sechs die Infektionskoje und Teamarbeitszone optimiert. Der Vorteil der Simulationszone war, dass Schwierigkeiten und Probleme sofort sichtbar wurden und in der Konzeption umgehend berücksichtig werden konnten.

Resultat

Durch die Simulation konnten während der sechs Monate diverse Neuerungen erarbeitet werden, von denen sowohl Patienten als auch die Mitarbeitenden profitieren.

Quick Look Nurse

Eine Quick Look Nurse ist zukünftig die erste Ansprechperson für alle Patienten ohne Termin. Ihre Aufgabe ist die „Vortriage“, bei welcher Patienten mit sehr dringendem Behandlungs- oder Isolationsbedarf herausgefiltert werden. Dies wird ergänzt durch eine Medizinische Teamevaluation (MTE), bei welcher erfahrene Mitarbeitende (Ärzte und Pflegefachpersonen) eine medizinische Erstabklärung innerhalb von zehn Minuten durchführen und die weitere Behandlung schnell und effizient festlegen.

Effiziente Steuerung der Patienten- und Mitarbeiterströme

Patienten durchlaufen zukünftig verschiedene „Ambulanz-Spuren“. Je nach Schwere der Verletzung kommen die Kinder entweder direkt in den Schockraum oder durchlaufen verschiedene Teile des Ambulanzprozesses. Dies hat zur Folge, dass Kinder mit leichteren Verletzungen differenzierte und kürzere Behandlungen als Kinder mit schwereren Verletzungen erhalten. So können mehrere Behandlungen gleichzeitig stattfinden, wobei gleichzeitig gewährleistet wird, dass jeder Patient eine abgestimmte Behandlung bekommt. Zusätzlich kommt das On-/Off-Stage-Prinzip in der gesamten Ambulanz zur Anwendung, welches die internen (Mitarbeitende) und die externen (Patienten/Besucher) Ströme getrennt voneinander führt. Beispielsweise betritt der Patient die Behandlungs-Koje durch einen eigenen Zugang. Über einen weiteren Zugang auf der gegenüberliegenden Seite gelangt man in einen separaten Bereich, in dem Ärzte und Pflegefachpersonen weitere Schritte vorbereiten oder administrative Aufgaben erledigen, ohne dass der Patient dies unmittelbar bemerkt.

Patientenfreundliche Gestaltung

Durch die künftig verkürzte Wartezeit sowie die schnellere medizinische Behandlung wird die Patientensicherheit erhöht. Die Vorgänge in der Ambulanz werden für die Patienten zudem transparenter. Jeder Behandlungsschritt ist ganz klar festgelegt und so für alle nachvollziehbar.

Effizienzsteigerung

Das moderne Umfeld der gemeinsamen Ambulanz soll in Zukunft auch dazu beitragen, dass weder Dokumentation noch Abläufe doppelt durchgeführt werden. Eine Live-Sekretärin – also eine Sekretärin, die in den medizinischen-Team-Evaluations-Kojen anwesend ist und in Echtzeit mitdokumentiert – stellt sicher, dass ein Fall sofort nach Ende der Behandlung abgeschlossen ist. Auch der kompetenzorientierte Einsatz des Personals trägt zur Effizienzsteigerung bei.

Fazit 

Aufgrund des grossen Erfolgs des Simulationszeltes wurde nun eine permanente Simulationszone namens „Prozesswerkstatt“ eingerichtet. Die ehemalige Küche des Klinikums bietet einen Raum für die Simulationen von Prozessen. Dort werden die Prozesse nun unter Einbindung aller Professionen im Detail geplant.

Quellenzitierung


Diese Fallstudie wurde im Rahmen eines Beitrags im Sammelband Entrepreneurship im Gesundheitswesen III: Digitalisierung - Innovationen – Gesundheitsversorgung (Springer Verlag) veröffentlicht. Link zum Buch: https://www.springer.com/de/book/9783658184124


Hollenstein, E., Angerer, A., Liberatore, F., Kriech, S. & Kikel, V. (2018). Innovative Krankenhausprozesse nach dem Design Thinking-Ansatz – Die Potenziale interprofessionell genutzter Simulationszonen». In Pfannstiel, M.A., Da-Cruz, P. & Rasche, C. (Hrsg.). Entrepreneurship im Gesundheitswesen III: Digitalisierung - Innovationen - Gesundheitsversorgung, 98–112. Wiesbaden: Springer Gabler.

Literatur

Vetterli, C. und Rüegg, K. (2016). Simulationszone. In A. Angerer (Hrsg.), LHT-BOK – Lean Healthcare Transformation Body of Knowledge, Version 1.0. Winterthur. Abgerufen von www.leanhealth.ch

Walker, D. (2013). Jetzt kommt der Patient: Das Notfall-Flusskonzept. Zürich: Walkerproject.

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Kontakt

Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG)
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